Finanzmärkte im Fokus 4. Quartal 2023
08.01.2024
Lesedauer: 4:14
Anhaltende Verunsicherung
Die angespannte Situation an den Finanzmärkten, die das Ende des dritten Quartals prägte, setzte sich nahtlos fort. Sorgen vor einem erneuten Anstieg der Inflation in den USA trieben die mittel- und langfristigen Zinsen auf den höchsten Stand seit 16 Jahren. So rentierten die 10-jährigen US-Treasuries zwischenzeitlich mehr als 5 %. Für zusätzliche Verunsicherung unter den Investoren sorgten die schrecklichen Ereignisse in Israel. Vor allem die harte Vergeltung der israelischen Armee liess zu Beginn Befürchtungen aufkommen, dass sich weitere Länder aktiv in den Konflikt einmischen könnten. Entsprechend nervös reagierten sowohl die Aktien- als auch die Rohstoffmärkte. Die Börsen setzten dabei weltweit ihren seit Sommer andauernden Kursrückgang fort. Für einmal war es der hiesige Aktienmarkt, der trotz seiner defensiven Ausrichtung überdurchschnittlich an Wert einbüsste und zwischenzeitlich sogar unter dem Jahresanfangsstand notierte. Weniger ausgeprägt verlief die Korrektur bei Valoren aus den USA und der Eurozone.
Die bereits seit Jahresbeginn auffällige Diskrepanz zwischen dem Aktienmarkt in der Schweiz und den USA lässt sich hauptsächlich auf zwei Faktoren zurückführen: Einerseits wurde das inländische Börsenbarometer durch die Schwergewichte Nestlé, Novartis und Roche ausgebremst. Andererseits profitierte der US-Aktienmarkt von den sogenannten «Magnificent 7» oder auf Deutsch «den glorreichen Sieben». Diese umfassen die sieben grössten börsennotierten Unternehmen der USA, nämlich Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta und Tesla. Die Gesamtperformance dieser im Technologiesektor anzusiedelnden Konzerne übertraf die Rendite des Gesamtmarktes im aktuellen Jahr deutlich. So hätte der S&P 500 Index ohne die «Magnificent 7» eine um mehr als 10 % niedrigere Performance verzeichnet (Abb. 1).
Die Schwäche der hiesigen Schwergewichte lässt sich ebenfalls plausibel erklären. Nestlé leidet unter der Annahme, dass die Verfügbarkeit neuer, appetithemmender Medikamente gegen Fettleibigkeit dazu führt, dass schlicht weniger gegessen wird. Ob sich diese These tatsächlich so bestätigen lässt, bleibt abzuwarten. Im Fall von Novartis profitierte der Titel bis Anfang Oktober noch von der bevorstehenden Abspaltung der Generikasparte Sandoz, bevor Gewinnmitnahmen einsetzten. Bei Roche wiederum beeinträchtigte der schwache Geschäftsverlauf der Diagnostik-Sparte den Aktienkurs. Allein in diesem Bereich verzeichnete das Unternehmen im 3. Quartal aufgrund des Wegfalls von Corona-Umsätzen einen Umsatzrückgang von 25 %. Auch in den kommenden Quartalen ist mit einem weiteren Umsatzrückgang in dieser Sparte zu rechnen. Zum Jahresende erholten sich die Genussscheine des Basler Pharmakonzerns jedoch leicht. Mit der bis zu USD 3,1 Milliarden schweren Übernahme des US-Unternehmens Carmot Therapeutics will Roche zudem zukünftig auch im Markt für Fettleibigkeits-Medikamente eine gewichtige Rolle spielen. Hinzuzufügen bleibt, dass alle drei einheimischen Indexschwergewichte durch solide Dividendenrenditen im Bereich von 3 bis 4 % überzeugen können.
Abb. 1: Kursentwicklung US-Börsenindizes in USD seit Anfang 2023 (indexiert)
Schlussspurt zum Jahresende
Wer nach dem düsteren Quartalsauftakt zu konservativ agierte, wurde wie so oft auf dem falschen Fuss erwischt. Weltweit wieder deutlich sinkende Teuerungsraten und fallende Energiepreise sorgten dafür, dass die Notenbanken zu keiner Zinserhöhung mehr gezwungen waren. In der Eurozone betrug die Preissteigerung zum Jahresende noch lediglich 2,4 %, während die Inflation in den USA mit 3,1 % noch etwas weiter von der Zielmarke von 2 % entfernt ist. Trotzdem liess sich die Chefin der Europäischen Zentralbank, im Gegensatz zu ihrem Pendant aus den USA, noch zu keinen Kommentaren bezüglich möglicher Zinssenkungen im nächsten Jahr hinreissen.
Das Erreichen des Zinsgipfels versetzte die Finanzmärkte regelrecht in Ekstase. Die Erwartung bald sinkender Zinsen sorgte für einen signifikanten Preisanstieg sowohl bei den Obligationen als auch bei den Aktien. Der US-Staatsanleihenindex verzeichnete beispielsweise im November mit 3,44 % die beste Monatsperformance seit 15 Jahren. Auch die Aktienindizes erreichten vielerorts neue Jahreshöchststände oder im Fall des deutschen und französischen Indexbarometers sogar neue Allzeithöchststände. Eine Ausnahme bildet China, wo die Aktienmärkte sich über das ganze Jahr rückläufig entwickelten. Gründe hierfür sind das sich abschwächende Wirtschaftswachstum, das deflationäre Marktumfeld sowie der kriselnde Immobiliensektor. Zudem dürfte auch die weiterhin angespannte Situation mit den USA die Aktienkurse in der zweitgrössten Volkswirtschaft belastet haben.
Zu den Profiteuren gehörte auch das Gold, das als zinsloser Vermögenswert an relativer Attraktivität gewinnt, wenn die Zinsen sinken. Anfang Dezember markierte der Goldpreis mit 2'135 US-Dollar pro Unze sogar ein neues Allzeithoch. Dabei profitierte das Edelmetall auch von der Schwäche des US-Dollars. Die steigende Verschuldung in den USA, die politischen Spannungen, insbesondere mit China, sowie die Aussicht auf sinkende Leitzinsen liessen den «Greenback» gegenüber dem Schweizer Franken auf den tiefsten Stand seit Januar 2015 fallen, als die Kursuntergrenze aufgegeben werden musste.
Ausblick und Portfoliopositionierung
Die zunehmenden geopolitischen Spannungen, die Angst vor einer Rezession sowie der weitere Verlauf der Inflation werden auch im neuen Jahr die dominierenden Themen an den Finanzmärkten sein. Mittlerweile geht das Gros der Markteilnehmer davon aus, dass die Teuerung nur temporärer Natur war und in den nächsten Monaten bereits wieder unter 2 % sinken könnte. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die Währungshüter bezüglich der Anzahl an Zinssenkungen. Während US-Notenbankchef Jerome Powell drei Zinsschritte à 0,25 % für das Jahr 2024 in Aussicht stellt, impliziert der Markt sowohl in den USA als auch in der Eurozone sechs Zinsanpassungen, was 1,5 % tieferen Zinsen entspricht. In der Schweiz sind aufgrund des deutlich tieferen Leitzinsniveaus maximal drei Zinsschritte angezeigt.
Die Marktreaktion auf die bevorstehenden Zinssenkungen erscheint uns als übertrieben, und wir gehen nicht davon aus, dass die Renditen von Anleihen kurzfristig erheblich weiter sinken werden. Zwar sind wir auch der Meinung, dass die Teuerung weiter rückläufig sein wird; jedoch werden die Notenbanken weiter mit Bedacht handeln und keine überstürzten Massnahmen ergreifen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Wirtschaftsmotor, insbesondere in den USA, weiterhin rund läuft. Entsprechend tief sind die Rezessionsrisiken, was den Druck für mögliche Zinssenkungen mindert. Bei diesen Szenarien sorgen die am 5. November 2024 anstehenden US-Wahlen für eine gehörige Portion Unberechenbarkeit.
Um die Zinsänderungsrisiken tief zu halten, bleiben wir im Bereich der festverzinslichen Anlagen in Anleihen mit kürzeren bis mittleren Laufzeiten investiert. Zusätzlich halten wir einen Teil unserer Liquidität in Geldmarktfonds, die eine durchschnittliche Restlaufzeit von unter einem Jahr aufweisen. Neben den tieferen Risiken profitieren unsere Portfolios so auch von der weiterhin inversen Zinskurve, die höhere Renditen für kurzfristige Anlagen mit sich bringt.
In Anbetracht der im Vergleich immer noch hohen Bewertungen halten wir am Untergewicht in US-amerikanischen Dividendenpapieren fest. Zudem trennten wir uns im Schlussquartal von thematischen Fonds und Anlagen in Schwellenländern. Letztere leiden, wie bereits erwähnt, unter der Schwäche des chinesischen Aktienmarktes. Wir gehen derzeit nicht von einer Verbesserung dieser Situation aus. Im Gegenzug haben wir unseren Home Bias verstärkt und Schweizer Aktien aufgestockt. Neben der attraktiveren Bewertung reagieren hiesige Valoren auch weniger sensitiv auf Zinsschwankungen.
Im Zuge der genannten Portfolioanpassungen haben wir unser Engagement in US-Dollar kontinuierlich verringert. Neben Anlagen in Schweizer Franken favorisieren wir zudem Gold, das eine negative Korrelation zur US-Währung aufweist.
Abb. 2: Wertveränderungen 01.01.2023 - 31.12.2023