Finanzmärkte im Fokus 4. Quartal 2024
08.01.2025
Lesedauer: 4:25
Politische Börsen
Das vierte Quartal 2024 war geprägt von bedeutenden politischen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Allen voran sorgte der Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen für weltweites Aufsehen. Obwohl die Wahl Trumps nicht gänzlich unerwartet kam, zeigten die Börsen deutliche Reaktionen. Vor allem US-amerikanische Aktien und der US-Dollar standen im Fokus der Investoren. Sowohl Unternehmen aus dem Finanzsektor als auch Technologiewerte gingen als Gewinner aus dieser Wahl hervor. Erstere spekulieren auf eine Lockerung der Regulierungen unter Trump, während der Technologiesektor von der Aussicht auf gleichbleibende Unternehmenssteuern profitierte. Die geplanten Steuererhöhungen, die von der US-Vizepräsidentin Kamala Harris vorangetrieben worden waren, sind damit vom Tisch.
Weiter ist die starke Performance bei den Technologiewerten wohl auch auf die gute Beziehung zwischen dem designierten Präsidenten und dem Tech-Milliardär Elon Musk zurückzuführen. Musk soll in der Trump-Regierung eine aktive Rolle einnehmen und sich unter anderem um die Effizienz im Staatsapparat kümmern. Diese Personalie sorgte für Euphorie, insbesondere bei den Tesla-Investoren. Die Aktien des US-Elektroautobauers verzeichneten am Tag nach der Wahl einen Anstieg von knapp 15 % und erreichten im Dezember mit 488 US-Dollar ein neues Allzeithoch – ein Zuwachs von nahezu 100 % seit der Wahl. Musks Unterstützung für Trumps Wahlkampf, in den er schätzungsweise über 250 Millionen US-Dollar investierte, zahlte sich aus: Seine 13-prozentige Beteiligung an Tesla stieg bis Ende Jahr um rund 65 Milliarden US-Dollar im Wert.
Eine weitere Gewinnerin der Trump-Wahl war die Kryptoindustrie. Nebst einer kryptofreundlichen Regulierung plädierte Donald Trump wiederholt für eine strategische Bitcoin-Reserve der USA. In der Folge überschritt der Bitcoinpreis Anfang Dezember erstmals die Marke von 100’000 US-Dollar. Die gesamte Marktkapitalisierung von Kryptowährungen stieg laut der Plattform CoinMarketCap auf über 3 Billionen US-Dollar an, was vergleichbar mit der Börsenbewertung des Technologiegiganten Microsoft ist.
Auch Europa stand ganz im Zeichen von politischen Ereignissen. Einen Tag nach der US-Wahl entliess der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner. Der anschliessende Rückzug der FDP aus der Ampel-Koalition markierte das Ende der Regierung nach knapp drei Jahren im Amt. Neuwahlen sind für den 23. Februar 2025 angesetzt. Anfang Dezember kam es auch in Frankreich zu Veränderungen: Nach einem Streit über das Haushaltsbudget 2025 scheiterte die Regierung am Misstrauensvotum, und Staatspräsident Emmanuel Macron musste einen neuen Premierminister ernennen. Die politischen Unsicherheiten in Europa belasteten den Euro stark. Gegenüber dem US-Dollar fiel die europäische Gemeinschaftswährung im vierten Quartal um mehr als 7 % und erreichte den niedrigsten Stand seit Ende 2022 (Abb. 1). Dabei hatte der Euro im Jahresverlauf zuvor noch leicht zugelegt.
Nicht nur politische, sondern auch geopolitische Spannungen blieben ein dominierendes Thema. Diese Entwicklungen stützten den Goldpreis, der weiter von den Konflikten in Osteuropa und dem Nahen Osten sowie von der Aussicht auf niedrigere Zinsen profitierte. Am 31. Oktober erreichte eine Unze Gold mit 2’790 US-Dollar einen historischen Höchststand. Nach der Trump-Wahl und der Aufwertung des US-Dollars gab der Goldpreis zwar etwas nach, beendete das Jahr jedoch mit einem beeindruckenden Plus von 27 %.
Abb. 1: Kursentwicklung EUR/USD seit Anfang 2020
Wachstumssorgen
Auf geldpolitischer Ebene waren die Notenbanken weiter mit Zinssenkungen beschäftigt. Der zwischenzeitliche Rückgang der Inflation unter 2 % sowie das weiterhin schwache Wirtschaftswachstum in der Eurozone liessen keine Zweifel über die weiteren Zinsschritte der Notenbanken aufkommen. So reduzierte die Europäische Zentralbank den Leitzins im Oktober und Dezember um je 0,25 %. Und dies, obwohl die Teuerung seit Oktober wieder ansteigt und mittlerweile wieder über der oberen Bandbreite von 2 % liegt.
In der Schweiz senkten die Währungshüter den Referenzzins im Dezember etwas überraschend um einen halben Prozentpunkt auf neu 0,5 %. Die hiesige Nationalbank begründete den Schritt mit der aktuell konstant tiefen Inflationsrate von unter 1 %, dem jüngst wieder erstarkten Schweizer Franken sowie gedämpften Wachstumsaussichten. Für das Jahr 2025 werden weitere Zinsanpassungen erwartet. Auch eine Rückkehr in das Negativzinsumfeld ist, gemäss Aussagen von Nationalbankpräsident Martin Schlegel, nicht ausgeschlossen. Die Aussicht auf noch tiefere Zinsen beflügelte primär die Preise von Obligationen und Immobilien. Der Index der börsengehandelten Immobilienfonds legte beispielsweise allein im letzten Quartal um 7 % zu. Für das Gesamtjahr resultiert eine Performance von knapp 18 %. Gleichzeitig stiegen auch die Aufpreise (Agios) gegenüber den Verkehrswerten im Durchschnitt auf über 30 % an.
Sorgen um das Wirtschaftswachstum machten sich nicht nur in der Eurozone breit. Auch in China kündigte die Regierung Anfang Oktober ein umfangreiches Konjunkturprogramm zur Stabilisierung des Immobilienmarktes und zur Stützung der chinesischen Wirtschaft an. Zudem senkte die Zentralbank den Leitzins und reduzierte die Mindestreserveanforderungen für Banken. Diese Massnahmen kamen bei den Investoren gut an und trieben die Aktienkurse chinesischer Unternehmen auf neue Jahreshöchststände.
In den USA gestaltet sich die Situation anders. Bislang ist es der Notenbank Fed nicht gelungen, die Teuerung unter 2 % zu drücken. Der sich nur zögerlich abschwächende Arbeitsmarkt und das weiter solide Wirtschaftswachstum sorgen zudem dafür, dass der Spielraum für geldpolitische Lockerungen bescheiden bleibt. Entsprechend enttäuscht zeigten sich die Anleger, als Jerome Powell, der Vorsitzende der US-Notenbank Fed, nach der letzten Sitzung Mitte Dezember nur noch zwei anstatt vier Zinssenkungen für das Jahr 2025 in Aussicht stellte. Die US-Börsen schwächelten daraufhin zum Jahresende und gaben einen Grossteil ihrer Gewinne seit der Trump-Wahl wieder ab. Dennoch war 2024 für US-Dividendenpapiere ein äusserst starkes Jahr. Der S&P 500 Index stieg in US-Dollar um satte 25 %.
Ausblick und Portfoliopositionierung
Die zweite Amtszeit von Donald Trump wird spürbar für erhöhte Volatilität an den Märkten sorgen. Erstens verfügt der designierte US-Präsident dank der Mehrheit der Republikaner im Senat und im Repräsentantenhaus kurzfristig über eine höhere Entscheidungsgewalt und zweitens deuten die Ernennungen in sein Kabinett auf alles andere als eine ruhige Präsidentschaft hin. Als erste Amtshandlung hat Trump bereits höhere Einfuhrzölle für Waren aus China und den Nachbarländern Mexico und Kanada angekündigt. Auch Europa hat er höhere Importzölle angedroht, sofern der Konsum von Öl und Gas aus den USA zu gering ausfällt.
Dabei sollte sich Trump zuerst um die Inflation und die nach wie vor hohen Zinsen kümmern. Denn sollten die Zinsen aufgrund der erneut ansteigenden Teuerung weiter nur sehr langsam sinken oder gar stagnieren, droht eine harte Landung der Wirtschaft. Dieses Szenario ist an den Finanzmärkten derzeit kaum in den Preisen enthalten und könnte somit im Jahresverlauf zum Spielverderber werden. Zudem sorgt die stolze Bewertung des US-Aktienmarktes dafür, dass das Korrekturpotenzial hoch bleibt. Wir sind in amerikanischen Aktien wie auch in US-Dollar denominierten Obligationen weiterhin vorsichtig positioniert und halten ein taktisches Untergewicht.
In Europa und insbesondere in der Schweiz schätzen wir das Rendite-/Risikoverhältnis für Aktionäre bedeutend besser ein. Die wieder tieferen Zinsen werden das Wirtschaftswachstum nach und nach ankurbeln und sorgen zudem dafür, dass Aktien im Vergleich zu Obligationen an Attraktivität gewinnen. Gerade in der Schweiz wird im bevorstehenden Nullzinsumfeld der von defensiven Unternehmen geprägte Aktienmarkt wieder vermehrt als Ersatz für festverzinsliche Wertpapiere gesucht werden. Wir haben unser Engagement in hiesigen Dividendenpapieren zum Jahresende zu Lasten der Liquidität nochmals aufgestockt.
Zur Vorsicht mahnen wir bei langläufigen Obligationen in Schweizer Franken und bei kotierten Schweizer Immobilienfonds. Erstere weisen aufgrund der gefallenen Zinsen und der weiter sinkenden Zinserwartung kaum noch Renditepotenzial auf. Hingegen überwiegen die Risiken im Falle eines unvorhergesehenen Zinsanstiegs wie wir dies beispielsweise im Jahre 2022 nach der Coronapandemie und dem Ausbruch des Ukrainekriegs erlebt haben. Im Immobilienbereich raten wir aufgrund der deutlich gestiegenen Agios nach wie vor von kotierten Anlagegefässen ab. Auch hier ist im Falle eines Zinsanstiegs das Korrekturrisiko erhöht.
Als Absicherung vor politischen und geopolitischen Turbulenzen bleibt Gold auch nach dem starken Kursanstieg ein fester Bestandteil in unseren Kundenportfolios.
Abb. 2: Wertveränderungen 01.01.2024 - 31.12.2024
Christoph Stuber, CIO