Agio und Disagio bei Immobilienfonds
07.01.2025
Lesedauer: 2:03
Agio und Disagio bei Immobilienfonds
Zunächst ist es wichtig, einige grundlegende Begriffe zu klären. Beginnen wir mit dem Preis eines Immobilienfonds: Hier gibt es zwei unterschiedliche Werte. Auf der einen Seite steht der Marktpreis, auf der anderen Seite der Nettoinventarwert (NAV). Letzter beschreibt den Gesamtwert aller Aktiven abzüglich der Verbindlichkeiten. Für einen Immobilienfonds bedeutet dies konkret: Der Nettoinventarwert wird berechnet, indem die Werte aller Immobilien im Fonds basierend auf einem Verkehrswertgutachten eines unabhängigen Schätzungsexperten zusammengezählt werden. Davon werden die hypothekarischen Verpflichtungen abgezogen.
Falls nun der Marktwert gemessen am Börsenkurs des Fonds den Nettoinventarwert übersteigt, bezahlen Investoren beim Kauf ein Aufgeld. In der Finanzbranche spricht man in diesem Fall von einem Agio. Im Gegenzug beschreibt der Abschlag oder fachsprachlich das Disagio die Situation, dass der Marktwert tiefer als der Nettoinventarwert ausfällt.
Welche Auswirkungen haben die Zinsen auf Immobilienfonds?
Die Zinsen beeinflussen den Wert eines Immobilienfonds aus verschiedenen Gründen. Betrachten wir zunächst die Perspektive der Immobilienbewertung. Eine gängige Form der Bewertung ist die sogenannte Discounted-Cashflow-Methode (DCF). Gemäss dieser Methode ergibt sich der aktuelle Wert einer Immobilie aus den prognostizierten zukünftigen Nettomieteinnahmen (Mieteinnahmen abzüglich Betriebs- und Finanzierungskosten). Diese Mieteinnahmen werden anschliessend mittels eines Diskontierungssatzes auf den Stichtag abgezinst, wobei die Höhe des Diskontierungssatzes stark vom Niveau der Kapitalmarktzinsen abhängt. Sinkt das allgemeine Zinsniveau, wird folglich auch der Diskontierungssatz reduziert. Infolgedessen steigt der Wert der einzelnen Liegenschaften, vorausgesetzt die Nettomieteinnahmen bleiben konstant. Für den Immobilienfonds bedeutet dies eine Steigerung des Nettoinventarwerts. Falls der Marktpreis unverändert bleibt, kommt dies einem gesunkenen Agio gleich.
Auf der anderen Seite beeinflusst eine Veränderung des Zinsniveaus die relative Attraktivität eines Immobilieninvestments. Bei sinkenden Zinsen bleiben die Mieteinnahmen eines Immobilieninvestments in einer ersten Phase konstant. Dies kann zu einer erhöhten Nachfrage nach Immobilieninvestitionen führen, was wiederum zu höheren Marktpreisen und somit zu höheren Agios führt.
Zusammenhang von Zinsen und Marktpreisen in der Praxis
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass in diesem Beitrag für das Zinsniveau exemplarisch die Rendite einer 10-jährigen Staatsanleihe der Schweizer Eidgenossenschaft (Eidgenoss) verwendet wird. Die untenstehende Grafik veranschaulicht den negativen Zusammenhang zwischen der Höhe der Agios und der Höhe des Zinsniveaus. Hohe Agios von Immobilienfonds lassen sich bei niedrigen Zinsen beobachten. Umgekehrt gilt das Gleiche: Bei hohem Zinsniveau fallen die Agios von Immobilienfonds in der Regel tiefer aus.
Per Ende Dezember 2024 lagen die Agios von Schweizer Immobilienfonds durchschnittlich bei 32 %, während sie zu Beginn des Jahres noch rund 16 % betrugen. Dieser Anstieg der Agios im Jahr 2024 ist auf die tieferen Kapitalmarktzinsen zurückzuführen. In der Grafik ist zusätzlich der Stichtag 31. Juli 2021 hervorgehoben. Damals betrugen die durchschnittlichen Agios sogar über 47 %, während die Rendite des Eidgenoss bei rund Minus 0,4 % lag. Der negative Zusammenhang lässt sich somit auch bei diesem Beispiel beobachten.
Abb. 1: Entwicklung Schweizer Immobilienfonds und Rendite 10-jähriger Eidgenosse seit 2011
Vorteile eines nicht kotierten Immobilienfonds in Zeiten hoher Agios
In Marktphasen hoher Agios bieten nicht kotierte Immobilienfonds Investoren eine attraktive Alternative. Im Gegensatz zu kotierten Immobilienfonds, deren Handelsliquidität grösseren Marktschwankungen unterliegt, zeichnen sich nicht kotierte Immobilienfonds durch stabilere Marktnotierungen aus. Infolgedessen sind die Agios von nicht kotierten Immobilienfonds in der Regel geringer und bieten Investoren in Marktphasen mit hohen Agios attraktive Einstiegsmöglichkeiten. Weitere Vorteile der stabileren Marktnotierung der nicht kotierten Immobilienfonds sind eine geringe Volatilität und damit verbundene tiefere Rückschlagspotenziale.
Stefan Heiniger, Portfoliomanager