Finanzmärkte im Fokus 2. Quartal 2022
04.07.2022
Lesedauer: 6:33
Finanzmärkte im Fokus 2. Quartal 2022
Hartnäckig hohe Inflation
Die Befürchtung, wonach die rekordhohe Inflation länger anhalten würde als allgemein angenommen, bewahrheitete sich während des zweiten Quartals immer mehr. Faktoren, wie die wieder eingeführten Lockdowns in China oder das von den EU-Staaten beschlossene Ölembargo gegen Russland, liessen die Preise rund um den Globus weiter ansteigen. In Schanghai, einer der wichtigsten Handels- und Hafenmetropolen der Welt, wurden beispielsweise 26 Millionen Menschen unter Quarantäne gestellt. Und das Ölembargo sorgte dafür, dass der Ölpreis kurzzeitig wieder über die Marke von 120 US-Dollar pro Fass kletterte, was an den hiesigen Tanksäulen den Benzinpreis auf über 2 Franken pro Liter hievte. In den USA erreichte die Inflation im Mai mit 8,6 % schlussendlich einen neuen Höhepunkt. Auch in der Eurozone liegt die aktuelle Teuerungsrate mit 8,1 % nur unwesentlich tiefer. Diese Teuerungsraten vergleichen sich jeweils mit dem Vorjahresmonat.
Da eine hohe Inflation erfahrungsgemäss am effizientesten mit höheren Zinsen bekämpft werden kann, stiegen diese munter weiter. In Erwartung einer zweistelligen Anzahl Zinsschritte in den nächsten 6 bis 9 Monaten der US-Notenbank Federal Reserve stiegen die Renditen für 10-jährige US-Staatsanleihen über 3 % und erreichten zwischenzeitlich den höchsten Stand seit 11 Jahren. Auch in der Schweiz stieg die Rendite des zu Jahresbeginn noch negativ rentierenden 10-jährigen Eidgenossen kurzzeitig auf 1,5 %.
Abb. 1: Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen 01.01.2000 - 30.06.2022
Die steigenden Zinsen zogen auch die Kurse von Obligationen und Aktien weiter in Mitleidenschaft. Der Index für Topqualitätsanleihen im Schweizer Franken weitete seine Verluste seit Jahresbeginn auf über 10 % aus. Noch nie in der jüngsten Vergangenheit waren festverzinsliche Anlagen einem solchen Stress ausgesetzt. Der grösste nominelle Jahresverlust von Schweizer Obligationen seit 1926 datiert aus dem Jahr 1989 und betrug - 4 %. Auch die Dividendenpapiere liessen weiter Federn. Allen voran der amerikanische Aktienmarkt, der sich mit einem Minus von über 20 % nun offiziell in einem sogenannten „Bärenmarkt“ befindet. Ein Bärenmarkt impliziert über eine längere Zeit anhaltend sinkende Kurse.
Erwachen der Notenbanken
Die zu Jahresbeginn noch zögerlich agierenden Notenbanken erkannten nun den Ernst der Lage und stellten die Weichen vollends auf die Bekämpfung der Inflation. Die US-Währungshüter erhöhten die Leitzinsen, nach 0,25 % im März und 0,50 % im Mai, im Juni nochmals um weitere dreiviertel Prozentpunkte, was der grössten Leitzinserhöhung seit 1994 gleichkommt. Der Chef der Federal Reserve, Jerome Powell, betonte nach der letzten Notenbanksitzung, dass er die Leitzinsen solange anheben wird, bis das Inflationsziel von 2 % in Reichweite liegt. Auch das Risiko einer Rezession nimmt Powell bewusst in Kauf. Aktuell gehen die Marktteilnehmer bis Ende Jahr von weiteren Zinsschritten im Umfang von 1,75 % aus, was die Leitzinsen in den USA über 3 % katapultieren würde.
Auch in Europa waren die Notenbanken nicht untätig. Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte an ihrer ordentlichen Sitzung im Juni eine Reihe von Zinserhöhungen an. Seit mittlerweile 11 Jahren wäre dies die erste Straffung ihrer Geldpolitik. Dabei wandelt die EZB jedoch auf einem schmalen Grat. Einerseits muss sie die Inflation bekämpfen und andererseits sollte sie die sich abschwächende Konjunktur im Euroraum nicht zu stark bremsen. Zudem droht an den Anleihemärkten Ungemach. Die deutlich gestiegenen Renditen der Staatsanleihen südeuropäischer Länder liessen die Zentralbank sogar eine Sondersitzung einberufen. So wollen die Währungshüter zukünftig bei der Wiederanlage der Gelder aus höher verschuldeten Ländern diesen unter die Arme greifen. Unter dem Motto „Taten statt Worte“ reduzierte die hiesige Nationalbank überraschend früh den Negativzins von - 0.75 % auf neu - 0,25 %. Der Schweizer Franken wertete sich umgehend auf und sorgte für Kursverluste bei in Schweizer Franken denominierten Wertpapieren. Trotz der im Verhältnis zum Ausland tiefen Teuerung in der Schweiz will die Nationalbank einen weiteren Preisauftrieb verhindern. Ebenfalls hatte sich der Schweizer Franken in den letzten Monaten aufgrund der höheren Inflation im Ausland handelsgewichtet abgewertet und ist damit nicht mehr überbewertet. Ein nominal erstarkender Schweizer Franken dämpft die importierte Inflation.
Ausblick und Portfoliopositionierung
Die restriktivere Gangart der Notenbanken hat die Märkte zwar kurzzeitig erschreckt, sollte sich jedoch auf die Dauer positiv auswirken. Die Gewissheit, dass die Währungshüter alles dafür tun werden, um die Inflation in den Zielbereich von 2 % zu bringen, wird die Märkte etwas beruhigen. Wir gehen davon aus, dass sich die Teuerung schon alleine aufgrund des Basiseffekts Anfang 2023 wieder massgeblich zurückbilden wird. Zudem schaffen sich die Notenbanken wieder Spielraum, um eine potenzielle Rezession abzufedern. Obwohl das Risiko einer Rezession steigt, stünden wieder mehr Mittel zur Verfügung, um zukünftige negative Wachstumsraten zu verhindern. So wäre man beispielsweise in der Lage, die Leitzinsen auch rasch wieder zu senken.
Trotz des anspruchsvollen Umfelds bleiben wir vorderhand unserem Aktienübergewicht treu. Dabei bevorzugen wir weiterhin den defensiven Schweizer Aktienmarkt und meiden im Gegenzug Dividendenpapiere aus dem Euroraum, wo das Risiko einer erneuten Verschuldungskrise wieder etwas zugenommen hat. Die Kursschwankungen werden weiterhin hoch bleiben, da die Auswirkungen der laufenden Preissteigerung auf die Gewinnmargen der Unternehmen immer noch schwierig abschätzbar sind. Mehr Informationen dazu werden die nächsten Halbjahresabschlüsse der kotierten Konzerne zeigen.
Obligationen haben im stark steigenden Zinsumfeld an Attraktivität gewonnen. Da sich die erwarteten Zinsschritte bereits in den aktuellen Kursen widerspiegeln, sehen wir kurzfristig kaum noch Potenzial nach oben und gehen eher von stabilen bis leicht sinkenden Zinsen aus. Bei der Auswahl der Schuldner ist aktuell wieder vermehrt der Qualität eine hohe Beachtung zu schenken. Wir investieren dabei ausschliesslich in Anleihen mit einem Investment Grade Rating (AAA-BBB) oder in Kollektivanlagen, die im Durchschnitt über ein Investment Grade Rating verfügen.
Die hohen Zinsen machten sich auch im Immobiliensektor bemerkbar. Unser Fokus in diesem Bereich bleibt auf nicht kotierten Immobilienfonds, die von den steigenden Zinsen und den rückläufigen Aufpreisen (Agios) derzeit kaum tangiert werden.
Abb. 2: Wertveränderungen 01.01.2022 – 30.06.2022
Christoph Stuber, CIO
Volatilität – Das Risikomass bei Wertschriften
Wie bei Wertschriften die Rendite gemessen wird, ist allgemein bekannt. Die Wertveränderung plus allfällige Zinsen oder Dividenden abzüglich den Kosten kann in Prozent wie auch in absoluten Beträgen angegeben werden und ist intuitiv verständlich. Da die Rendite jedoch nie isoliert betrachtet werden sollte, sondern im Verhältnis zum eingegangen Risiko zu beurteilen ist, benötigen wir ein Mass, um das Risiko quantifizieren zu können. Es gibt unterschiedliche Risikokennzahlen, die an den Finanzmärkten Beachtung finden. Praktisch alle Risikomasse basieren auf der hier erklärten Volatilität.
Die historische Volatilität ist ein Mass aus der Statistik und definiert sich als annualisierte Standardabweichung der stetigen Rendite. Auf den ersten Blick sieht die Formel kompliziert aus, ist jedoch relativ einfach zu verstehen. Die Volatilität zeigt auf, wie gross die durchschnittliche Kursschwankung eines Wertpapiers war. Je höher die Volatilität, desto grössere prozentuale Kursbewegungen fanden in der Vergangenheit statt und desto risikoreicher war die Anlage. Dies kann auch so begründet werden, dass die Kursbewegungen von volatileren Wertschriften schwieriger vorherzusagen sind und der Wert des Wertpapiers am nächsten Tag bereits deutlich anders sein kann als bei Wertschriften mit einer geringeren Schwankungsbreite.
In den vergangenen Monaten ist die Volatilität an den globalen Aktienmärkten deutlich angestiegen. Wie in der Abbildung 3 zu sehen ist, bewegt sich die tägliche Performance des Swiss Performance Index seit 1970 grösstenteils zwischen minus 0,2 % und plus 0,2 %. Im Jahr 2022 konnten bereits zwei seltene Extrempunkte beobachtet werden. So verlor der Index am 24.01.2022 3,78 % und legte am 09.03.2022 um 4,16 % zu. Besonders in Zeiten grosser Schwankungen ist das Festhalten an der langfristigen Anlagestrategie angezeigt und verhindert überstürzte Reaktionen, die im Rückblick hätten vermieden werden können.
Abb. 3: Anzahl Beobachtungen von bestimmten Tagesrenditen des Swiss Performance Index seit 1970
Yves Zumbrunnen, Portfolio Manager
Am Puls der Schweizer Unternehmen – Rückblick und Ausblick
Der Schweizer Aktienmarkt hat seit Beginn des Jahres deutlich korrigiert. So notiert der Swiss Performance Index SPI rund 16 % unter dem Endjahresstand, der SPI Extra, der kleinere- und mittelgrosse Gesellschaften abbildet, gar 23 %. Der Hauptgrund für den Rückgang liegt in der Akzentuierung der Inflation, was eine restriktivere Geldpolitik der Notenbanken nötig machte und die Zinsen deutlich ansteigen liess. Die Zinsen wiederum bilden die Basis für die Bewertung von Aktien, wobei höhere Zinsen zu tieferen Bewertungs-Multiples führen. Des Weiteren sind zunehmend Ängste auszumachen, die ein Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession befürchten.
Die aktuelle Situation bei den Schweizer Unternehmen zeigt sich jedoch nach wie vor robust. Die Unternehmen leiden zwar unvermindert unter höheren Rohmaterialpreisen, Komponentenknappheit und Fachkräftemangel, verfügen aber über eine ungebrochen gute Nachfrage. Auch gelingt es den Unternehmen bis jetzt relativ gut, die höheren Inputpreise zeitlich leicht verzögert in Form von Preiserhöhungen weiter zu geben. Fraglich bleibt, wie lange die Konsumenten die wiederholten Preissteigerungen akzeptieren werden, ist der Kaufkraftverlust in vielen Ländern doch bereits beträchtlich. Dies könnte die Nachfrage und somit auch die Unternehmensgewinne in den nächsten Monaten zunehmend negativ tangieren, insbesondere im Hinblick auf 2023.
Die Mehrheit der Schweizer Unternehmen und gerade auch die kleineren- und mittelgrossen Gesellschaften sind krisenerprobt, agil und flexibel aufgestellt, was eine zügige Anpassung der Kosten ermöglicht, sollten sich obgenannte Befürchtungen bewahrheiten.
In beiden GR Aktienfonds – GR Aktien Schweiz und GR Aktien Schweiz Small & Mid Caps – haben wir uns seit längerem auf eine abschwächende Wirtschaft vorbereitet und entsprechende Vorkehrungen getroffen. Entsprechend sind die Anlagefonds gut diversifiziert, um auch in einem schwierigeren Börsenumfeld bestehen zu können. GR Aktienfonds setzen unverändert auf gut geführte Unternehmen, die in ihren Segmenten Marktführer sind und über Preismacht verfügen. Weiter zeichnen sich unsere Investitionen über solide Bilanzen aus. Wir sind überzeugt, dass diese erfolgreichen, umsichtig und nachhaltig geführten Unternehmen in der Lage sind, Marktanteile zu gewinnen und in den kommenden Jahren insgesamt noch stärker werden. Entsprechend nutzen wir die Kursrückgänge für selektive Zukäufe.
Abb. 4: Entwicklung SPI Index, Unternehmensgewinne und Rendite 10-jähriger Schweizer Staatsanleihen seit 2019
Der GR Aktien Schweiz eignet sich für Anleger, die primär in grosskapitalisierte Werte (Large Caps) investieren sowie die Chancen der besten Small- und Mid Caps Ideen nutzen möchten. Der Fonds investiert in Gesellschaften, die im SPI enthalten sind.
Der GR Aktien Schweiz Small & Mid Caps investiert in kleinere und mittelgrosse Gesellschaften, die im SPI Extra enthalten sind.
Martin Würmli, Fondsmanager Aktien Schweiz