Validierung eines Vorsorgeauftrages
01.03.2021
Mittels Vorsorgeauftrag kann eine handlungsfähige Person vorausschauend festlegen, wer sie vertreten soll, wenn sie dazu nicht mehr in der Lage ist (z.B. aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit).
Der Vorsorgeauftrag wird erst dann wirksam, wenn die Person, die ihn abgeschlossen hat, tatsächlich urteilsunfähig geworden ist.
Für die „Inkraftsetzung“ des Vorsorgeauftrages – man spricht von der Validierung des Vorsorgeauftrages – ist die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) zuständig. Um das Wohl und die Interessen der auftraggebenden, nun urteilsunfähigen Person zu wahren, sind der KESB verschiedene Aufgaben zugewiesen. So prüft sie im Fall eines Validierungsantrags, ob
- der Vorsorgeauftrag gültig errichtet worden ist,
- die betreffende Person tatsächlich urteilsunfähig geworden ist,
- die beauftragte Person für ihre Aufgaben geeignet ist und willens den Auftrag anzunehmen;
- allenfalls weitere Massnahmen des Erwachsenenschutzes nötig sind.
Wie ist nun in der Praxis vorzugehen, wenn man befürchtet, eine Person sei nicht mehr urteilsfähig?
Dominique Baumann, Rechtsanwältin und Notarin bei Von Graffenried & Cie Recht, im Gespräch mit Frau Katja Kobel, Rechtsanwältin und Behördenmitglied der KESB Bern.
DB: Liebe Frau Kobel, vielen herzlichen Dank, dass Sie uns einige Fragen zur Validierung des Vorsorgeauftrages beantworten.
Wenn ich das Gefühl habe, meine kinderlose, alleinstehende Tante sei sehr vergesslich geworden und die Befürchtung hege, dass sie nicht mehr urteilsfähig sei – was muss resp. kann ich konkret unternehmen?
KK: Als Nichte trifft Sie keine Melde- oder Handlungspflicht. Sofern Sie aber feststellen, dass Ihre Tante unterstützungsbedürftig ist und ihren Alltag nicht mehr alleine bewältigen kann, wäre es sinnvoll, die zuständige KESB über Ihre Beobachtungen und das allfällige Vorliegen eines Vorsorgeauftrags zu informieren.
DB: Was geschieht dann?
KK: Sobald die KESB eine Meldung über die allfällige Urteilsunfähigkeit und Schutzbedürftigkeit einer Person erhält, wird ein Erwachsenenschutzverfahren eröffnet. Die KESB wird Sie ersuchen, den Vorsorgeauftrag Ihrer Tante im Original einzureichen, bzw. beim Zivilstandsamt nachfragen, ob ein Hinterlegungsort eines Vorsorgeauftrags vermerkt ist. Sofern Sie über ein Arztzeugnis verfügen, ist es selbstverständlich dienlich, wenn Sie auch dieses einreichen.
DB: Wie überprüft die KESB die Urteilsunfähigkeit?
KK: Wenn die antragstellende Person nicht bereits ein Arztzeugnis mit dem Antrag einreicht, setzt sich die KESB Bern mit dem Hausarzt der betroffenen Person in Verbindung und holt bei diesem ein Arztzeugnis über die Urteils(un)fähigkeit ein. Sofern die betroffene Person über keinen Hausarzt verfügt, beauftragt die KESB Bern einen Arzt, der für die unabhängige Beschwerdestelle für das Alter (UBA) tätig ist, die Urteilsfähigkeit der betroffenen Person im Rahmen eines Hausbesuchs abzuklären.
DB: Wie überprüft die KESB die Fähigkeiten der beauftragten Person?
KK: In der Praxis holt die KESB Bern einen Betreibungsregister- und einen Strafregisterauszug über die beauftragte Person ein. Damit soll abgeklärt werden, ob die beauftragte Person nicht selbst überschuldet und damit wohl kaum geeignet ist, die Vermögensverwaltung der betroffenen Person ordnungsgemäss wahrzunehmen und/oder ob die beauftragte Person sich in der Vergangenheit Vermögensdelikte hat zu Schulden kommen lassen.
Weiter wird mit der beauftragten Person ein Telefongespräch oder ein persönliches Gespräch geführt, um die Eignung zu überprüfen und abzuklären, ob sie bereit ist, den Auftrag anzunehmen.
DB: Erlässt die KESB anschliessend eine offizielle Verfügung, worin die Urteilunfähigkeit meiner Tante und die Fähigkeit der beauftragten Person festgehalten werden?
KK: Die KESB stellt in einem Entscheid die Wirksamkeit des Vorsorgeauftrags fest, sofern die dafür geltenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Weiter werden in diesem Entscheid die beauftragte Person sowie die dieser zukommenden Aufgaben genannt. Der beauftragten Person wird überdies eine Urkunde ausgestellt, welche die Vertretungsbefugnisse festhält.
DB: Wie weit geht die Kontrollbefugnis der KESB nach erfolgter Validierung des Vorsorgeauftrages?
KK: Grundsätzlich werden die Handlungen der beauftragten Person nicht durch die KESB überwacht. Die KESB geht davon aus, dass die betroffene Person im Rahmen der Selbstbestimmung und der eigenen Vorsorge jemanden aus dem eigenen Umfeld, dem sie vertraut, für die Personen- und Vermögenssorge einsetzen wollte und gerade keine einer Beistandschaft entsprechende Überprüfung durch die KESB gewünscht hat. Einzig wenn die KESB davon Kenntnis erlangt, dass die Interessen der betroffenen Person gefährdet oder nicht mehr gewahrt sind, schreitet sie ein.
DB: Vielen Dank für Ihre Ausführungen, Frau Kobel.
Der Vorsorgeauftrag ist ein umfassendes und komplexes Thema. Ziehen Sie einen Spezialisten zu Rate und besprechen Sie mit ihm Ihre Anliegen.
Die Anwälte und Notare bei Von Graffenried & Cie Recht sind gerne für Sie da. www.graffenried-recht.ch
Dominique Baumann-Stucki, Rechtsanwältin und Notarin