Jetzt gestalten und verbindlich regeln, was für unsere Kinder selbstverständlich sein soll
02.05.2022
Lesedauer: 3:40
Seit 41 Jahren ist in der Bundesverfassung festgeschrieben, dass Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit gleich bezahlt werden müssen. Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann verbietet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben generell und speziell die Lohndiskriminierung. Seit dem 1. Juli 1996 beissen wir uns an diesem Gesetz die Zähne aus.
Alle zwei Jahre belegen die neuesten Zahlen, wie es um die LohnUNgerechtigkeit in der Schweiz steht. Der Equal Pay Day, ein nationaler Aktionstag, macht die Lohnschere zwischen Männern und Frauen und die damit verbundene Differenz in der Altersvorsorge sichtbar. Dieses Jahr fiel der Equal Pay Day auf den 20. Februar:
Erhielt ein Mann ab dem 1. Januar 2022 sein Gehalt, musste eine gleich qualifizierte Frau in gleicher Position bis zum 20. Februar 2022 arbeiten. Sie leistete also während 51 Tagen berufliche Gratisarbeit, mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre Pensionskasse.
Diese Ungerechtigkeit gehört abgeschafft. Lohngleichheit muss selbstverständlich sein.
Als Gesellschaft müssen wir uns auch darüber einigen, wie die Bewältigung der nicht monetären Arbeit verbindlich und gleichwertig geregelt wird. Darin vermute ich eine Ursache der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in der Berufswelt. Gerne will ich das erläutern:
Am Ende der obligatorischen Schulzeit entscheidet sich der Grossteil der Jugendlichen für eine Ausbildung; sie erkennen in der künftigen Berufstätigkeit ein wichtiges Ziel ihres Lebens und verbinden damit Anerkennung und Wohlergehen. Bei der Wahl ihres Berufs spielen jedoch bereits genderspezifische Entscheidkriterien eine Rolle und es werden nicht nur wichtige Grundlagen für die berufliche Laufbahn, sondern auch für die Lebensgestaltung gelegt: Schülerinnen wählen häufig im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Demgegenüber sehen Schüler ihre Zukunft meist in der Rolle des Haupternährers.
Später als Erwachsene, gehen viele von ihnen eine verbindliche Beziehung ein. Mit der Geburt des ersten Kindes verschiebt sich der Fokus auf die eigene Familie. Jetzt beginnt der Zusammenhang zwischen Lohn und Lebensplanung scheinbar selbstverständlich zu wirken: Verdient die Frau weniger Lohn als ihr Partner, entscheidet sich das Paar für die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, als wäre es das Natürlichste auf der Welt: Die Frau reduziert ihr Pensum zugunsten der Familienarbeit, der Mann sucht den nächsten Karriereschritt, damit er der Familie finanzielle Sicherheit geben kann. Die meisten Arbeitgebenden befürworten solche Entscheide und betrachten sie ebenfalls als «natürlich». Ein Teufelskreis mit fatalen Auswirkungen. Auch auf die wenig beachtete dritte Lebensphase: Die Differenz bei der Altersvorsorge der Frauen gegenüber den Männern beträgt rund 37%. Lohneinbussen fallen insbesondere bei der zweiten Säule ins Gewicht, wo der Koordinationsabzug von 24’885 Franken überproportional zu Buche schlägt. Bei 14.4% Lohndifferenz reduzieren sich die Beiträge in der Pensionskasse im wahrsten Sinne unverdient.
Diese weit verbreitete «kognitive Landkarte» und die damit verbundenen Risiken gilt es zu «entselbstverständlichen[1]»! Es müssen Arbeits- und Lebensmodelle entwickelt werden, die Berufs- und Familienarbeit gleichermassen beinhalten. Frauen und Männer sollen ihrem Beruf nachgehen, ihre Kleinkinder mehrheitlich selbst betreuen können und für gleichwertige Arbeit gleich entlohnt werden. Das gibt berufstätigen Eltern Sinn, den Paaren Stabilität und garantiert der Wirtschaft gesunde, motivierte Arbeitnehmende.
Die Regeneration der Gesellschaft erfolgt über die Geburt von Kindern. Wo keine Kinder zur Welt kommen, degeneriert eine Gesellschaft. Darunter leidet die Wirtschaft zurzeit spürbar. Sie beklagt in weiten Teilen den «Fachkräftemangel».
Meine Vision beinhaltet, dass alle, unabhängig vom Geschlecht, in allen Bereichen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Sorge um die künftigen Generationen teilhaben und so zum Wohlstand eines Landes beitragen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sowie die egalitäre Beteiligung an nicht monetären, gesellschaftlich jedoch hoch wirksamen Aufgaben, sind die zentralen Erfolgsfaktoren.
Lassen Sie uns jetzt gestalten und verbindlich regeln, was für unsere Kinder selbstverständlich sein soll.
Eveline Iannelli, Leiterin Arbeitsgruppe "Equal Pay Day" BPW Club Bern
[1] Faulstich-Wieland, H., 2019, S. 189; in: Makarova, Elena (Hrsg.): Gendersensible Berufsorientierung und Berufswahl. Beiträge aus Forschung und Praxis. Bern: hep Verlag
Tipps und Tricks…
…damit Sie dem Pension Gap die Stirn bieten können:
Bereits mit kleinen Anpassungen können grosse und sinnvolle Veränderung in den persönlichen Finanzen erzielt werden. Nachfolgend finden Sie ein Sammelsurium mit Tipps (Aufzählung ist nicht abschliessend):
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Den Pensionskassen-Ausweis lesen und verstehen und daraus entsprechende Schlüsse ziehen
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Aufbau der persönlichen Vorsorge angehen (z.B. Säule 3a Konto eröffnen und investiertes Geld langfristig in Wertschriften investieren)
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Einkäufe in die 2. Säule prüfen und das allfällig vorhandene Einkaufspotenzial schliessen
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Mittels einer Finanzplanung (inkl. Budgeterstellung) mehr Klarheit über Konsequenzen erhalten
Man kann sich nie zu früh um dieses Thema kümmern. So können die richtigen Weichen gestellt werden und die verschiedenen Lebensphasen auch in finanzieller Hinsicht genossen werden.
Bei Fragen zu diesen und anderen Themen rund um Finanzen unterstützen wir Sie gerne begleitend. Kontaktieren Sie uns – wir freuen uns auf Sie.
Adrienne Kunz, Privatbank Von Graffenried AG