Entwicklung der Finanzmärkte 2022
08.01.2023
Lesedauer: 3:45
Was beeinflusst die Entwicklung der Anlagestrategien im Jahr 2022?
Die hohe Inflation und die stark steigenden Zinsen sorgten sowohl bei Aktien wie auch bei Obligationen für starke Kursverluste. Dies führte zu negativen Renditen in sämtlichen Anlagestrategien. Dabei entwickelten sich die konservativen Anlageportfolios mit -10 % etwas besser als reine Aktienmandate (-18 %). Trotzdem ist der Kursverlust in den konservativen Strategien historisch hoch. Noch nie seit dem Jahr 1926 resultierte eine tiefere Rendite als im Jahr 2022.
Die Entwicklung welcher Anlageklassen hat dich im Jahr 2022 am meisten überrascht?
Der starke Zinsanstieg sorgte bei den Obligationen für einen historischen Kurseinbruch. Der Index für Obligationen in Schweizer Franken mit guter Bonität verlor über 12 %. Eine solche Entwicklung hatte zu Jahresbeginn wohl kaum jemand vorhergesehen. Weiter überraschten gegen Jahresende die Aktien aus der Eurozone mit einer starken Aufholjagd. Im Umfeld des laufenden Ukraine-Konflikts, der hohen Inflation und der drohenden Energiekrise ist dies doch bemerkenswert.
Werden uns die steigenden Zinsen und die Inflation auch im Jahr 2023 beschäftigen und wie positionieren wir uns mit den Portfolios in diesem schwierigen Umfeld?
Die Inflation in den USA ist seit Mitte 2022 rückläufig und die US-Notenbank hat angekündigt die Zinserhöhungen langsam zurückzufahren. Auch in der Eurozone schwächte sich die Inflation zum Jahresende erstmals seit Juni 2021 leicht ab. Entsprechend gehen wir 2023 nicht von signifikant steigenden Zinsen aus. Im Gegenteil, sollte die Wirtschaft im Jahresverlauf sogar in eine Rezession schlittern, ist mit sinkenden Zinsen zu rechnen.
Unserer Ansicht nach werden Aktien aufgrund des endenden Zinserhöhungszyklus wieder mehr gefragt sein. Dabei könnten vor allem auch Aktien aus dem Small- & Mid Cap Segment profitieren, die im vergangenen Jahr überdurchschnittlich an Wert eingebüsst haben. Entsprechend bleiben wir in dieser Anlageklasse übergewichtet. Im weiterhin höchst unsicheren Marktumfeld setzen wir zudem auf Realwerte wie Gold und Immobilien, die im Falle einer hartnäckig höher bleibenden Inflation einen gewissen Schutz bieten.
Christoph Stuber, CIO
Welche Branchen profitieren im aktuellen inflationären Umfeld mit stark steigenden Zinsen am meisten und welche Unternehmen leiden am stärksten darunter?
Für uns ist die wirtschaftliche Gesamtbetrachtung entscheidend. Inflation ist grundsätzlich problematisch, weil die Konsumenten, die wichtigsten Treiber für Wirtschaftswachstum, an Kaufkraft einbüssen und vermehrt Abwägungen machen müssen in ihrem Konsumverhalten. Dies wiederum hat Folgen für die Unternehmen in Bezug auf ihre Wachstumsmöglichkeiten. Des Weiteren verringern sich im aktuellen Umfeld die Unternehmenswerte, da die zukünftigen Cashflows zu einem höheren Zins abdiskontiert werden müssen. In diesem Umfeld setzen wir auf Qualitätsunternehmen, die keine oder nur geringe Schulden aufweisen und dank hohem Kundennutzen über eine überdurchschnittliche Preismacht verfügen. Entscheidend ist auch, dass sich diese Unternehmen dem Zyklus anpassen können und nach der erwarteten Konjunkturabschwächung wieder rasch auf Wachstum schwenken können. Es sind dies Unternehmen wie Sika, Straumann, Kühne & Nagel, VAT oder Daetwyler.
Welche Entwicklung bei den Unternehmen hat dich am meisten überrascht?
Es ist eindrücklich zu sehen, wie gut sich viele Schweizer Unternehmen einerseits durch die Pandemie und andererseits durch die Phase mit Lieferengpässen, Rohstoff- und Energiepreisanstiegen manövrieren konnten. Es ist ein Zeichen der Stärke, dass in dieser kurzen Zeit teilweise zwei bis vier Preiserhöhungen durchgesetzt werden konnten.
Welche Entwicklung erwartest du von den Aktienmärkten im 2023?
Nach den starken Kurseinbrüchen im Jahr 2022, dem Jahr mit Kriegsausbruch, Lieferengpässen, Inflations- und Zinsüberraschungen sowie schwindelerregenden Energiepreisen in Europa, ist es sehr schwierig, sich ein klares Bild für 2023 zu machen. Entscheidend ist, wie lange und wie stark eine allfällige Rezession sein wird. Wir sehen Chancen, dass sich die hohe Inflation in vielen Ländern deutlich zurückbildet, was positiv für die Märkte wäre. Im ersten Halbjahr 2023 dürften jedoch rückläufige Unternehmensresultate die Märkte eher belasten. Nach den Verlusten in 2022 ist es für Verkäufe zu spät. Für unsere Fonds werden wir in Schwächephasen Aktien dazukaufen.
Adrian Peter, Fondsmanager Aktien Schweiz
Wie haben die Zinserhöhungen in der Schweiz das Verhalten der Marktteilnehmer (Käufer und Verkäufer) beeinflusst und welche Auswirkungen haben die Zinserhöhungen auf die Mieterträge?
Bei Eigentümern von Immobilien sind die Kosten für die Hypotheken oft der grösste Kostenblock. Der markante Zinsanstieg hat in den letzten Monaten zu einem spürbaren Rückgang bei der Nachfrage nach Immobilien geführt. Bei Renditeobjekten sind nach der jahrelangen Goldgräberstimmung nun erste leichte Preissenkungen feststellbar. Eine Anpassung der Mieten an die Teuerung ist bei indexierten Gewerbemieten rasch umsetzbar, bei Wohnungen erst mit einer gewissen Verzögerung nach Erhöhung des Referenzzinssatzes. Sowohl im Gewerbebereich als auch bei den Wohnungen muss sich die Mieterschaft aber die Erhöhung der Nettomieten bei der gleichzeitig markanten Erhöhung der Heiz- und Stromkosten auch wirtschaftlich leisten können. Das ist bei der jetzigen Teuerung zum Glück noch in einem hohen Mass gegeben.
Was sind die grössten Herausforderungen für den Immobilienmarkt in der Schweiz?
Wohnen an zentralen Lagen wird stark nachgefragt bleiben. An diesen Lagen ist aber Bauland knapp und die innere Verdichtung verläuft schleppend. In einer wachsenden Schweiz werden sich deshalb die Wohnkosten in den grossen Städten und deren Agglomerationen weiterhin verteuern. Die Digitalisierung, Homeoffice und eine alternde Bevölkerung könnten in Zukunft zu veränderten Raumbedürfnissen führen, die nur schwer vorhersehbar sind. Im Bereich der Nachhaltigkeit müssten die positiven Anreize für energetische Sanierungen insbesondere im ländlichen Raum und für private Eigentümer besser sein, damit die CO2-Reduktionsziele im Gebäudesektor erreicht werden können.
Welche Massnahmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit habt Ihr für den GR Immobilien Schweiz umgesetzt?
Seit unserer Fondslancierung im Frühjahr 2020 haben wir darauf geachtet, Immobilien an zentralen Lagen mit guter Infrastruktur und guter Anbindung an den öffentlichen Verkehr zu kaufen. Unsere 550 Wohnungen sind überwiegend klein geschnitten und gut bezahlbar. Beim grössten Objekt an der Bondelistrasse in Wabern reduzieren wir den CO2-Ausstoss mit einer energetischen Sanierung in den Jahren 2021 bis 2023 markant. Beim zweitgrössten Objekt in Marly haben wir in die erste klimaneutrale Wohnüberbauung im Kanton Freiburg investiert. Bei vielen weiteren Liegenschaften heizen wir aktuell noch mit Gas oder Öl. Als institutioneller Immobilieninvestor verfügen wir über die finanziellen Mittel und das erforderliche Wissen, um in den nächsten Jahren umfassend energetisch zu sanieren.
André Nussbaumer, Fondsmanager Immobilien